Wiener Kirchenhistoriker Klieber bei Tagung über benediktinische Stifte Österreichs zwischen 1938 und 1945: Benediktiner leisteten kaum direkten, aber indirekten Widerstand "durch Schaffen geistig-geistlicher Inseln im Meer der politischen Zumutungen des Regimes"
Wien, 08.10.2025 (KAP) Mit neuen Einblicken in ein dunkles Kapitel der österreichischen Kirchengeschichte kann der Wiener Kirchenhistoriker Prof. Rupert Klieber aufwarten: Bei einer Tagung über die benediktinischen Stifte Österreichs während der Jahre 1938 bis 1945, die am Wochenende in Wien stattfand, konnte Klieber den aktuellen Forschungsstand referieren, der auf Arbeiten in den vatikanischen Archiven zu den Pontifikaten Pius' XI. und Pius' XII. basiert. Im Fokus seiner Forschung steht die Frage, inwieweit die Stifte Österreichs an der Kurie überhaupt ein Thema waren. Auswerten konnte Klieber dazu u.a. Nuntiaturberichte sowie Visitationsberichte aus den österreichischen Stiften. Ab 1938 hieß es laut Klieber nicht mehr: "Klostergeist gegen Weltgeist, sondern Stehen oder Fallen".
Insgesamt zeigten die Quellen, dass das Agieren der benediktinischen Ordensleute in den 16 Stiften - rund 200 Frauen und 900 Männer - weder für eine "reine Helden- noch eine reine Opfergeschichte" herhält. Vielmehr seien die Traditionsstifte ebenso von Gleichschaltung und Enteignung bedroht gewesen - teils aufgrund ihres Images, ihrer Besitztümer und ihrer Schulen. Die Ordensoberen hätten nach Kräften versucht, durch Proteste, Gesuche und Bittschriften das Schlimmste abzuwenden - meist vergeblich; und so habe die Strategie der Benediktiner wohl "Überwintern" gelautet - ergänzt um Momente indirekten Widerstands "durch Schaffen geistig-geistlicher Inseln im Meer der politischen Zumutungen des Regimes", schlussfolgerte Klieber.
Damit füge sich die benediktinische Geschichte "ins Gesamtbild des Katholizismus" in Österreich, so Klieber: "Seine Amtsträger ebenso wie die im engeren Sinn gläubige Basis war zu keinem Zeitpunkt 'Nazi-Kirche', aber eben auch kein 'Widerstandnest'. Ihre Wortführer konnten sich nicht dazu durchringen, den NS-Staat im Sinne des Hl. Augustinus als 'Räuberstaat' zu brandmarken und ihm damit die Legitimität abzusprechen. Man blieb grundsätzlich und oft zähneknirschend loyal - nach dem Motto Bischof Galens: Christen machen keine Revolution. Aber es war eine 'Loyalität mit Grenzen' und unter Protest, der opferreicher war als der anderer Player der Gesellschaft." Das gesamtkirchliche Versagen könne auch nicht erst auf das Jahr 1938 datiert werden, sondern müsse bereits ab 1933 gesehen werden, wo sich auch kirchlicherseits "verschwindend wenige Verteidiger des Parlamentarismus und Rechtsstaates" fanden.
Der Heilige Stuhl sei über die Vorgänge in Österreich seit dem "Anschluss" und davor sehr wohl, wenngleich teils nur sporadisch informiert gewesen, führte der Kirchenhistoriker weiter aus. Schließlich betraf die Entscheidung Hitlers, Österreich ab 1938 zum "konkordatsfreien" Raum zu erklären, alle kirchlichen Einrichtungen, denen plötzlich eine wichtige Rechtsgrundlage entzogen wurde. Es folgten Beschlagnahmungen von St. Lambrecht, Admont, Göttweig, Seckau, St. Paul und anderen Stiften. Verschont blieben die Stifte Nonnberg, Melk, Seitenstetten und das Wiener Schottenstift.
Doch auch Momente hellsichtiger Widerständigkeit geben die Akten laut Klieber her - etwa im Blick auf einzelne "Laienbrüder" (Ordensmänner, die die Profess abgelegt haben, aber nicht zum Priester geweiht wurden), die nicht in die zumindest anfängliche Euphorie und politische Unterwerfungsbereitschaft mancher Ordensoberen einstimmen wollten und sich in dieser Sache an den Papst wendeten. Die Folge sei im konkreten Fall im Stift Seckau eine päpstlich verordnete Visitation gewesen, dem im Bericht ein "Hang zum Nationalsozialismus" attestiert wurde.
Klieber referierte als einer von mehreren Historikern und Experten bei der Tagung "Die benediktinischen Stifte Österreichs 1938-1945", zu der die "Sectio Historica" der Benediktinischen Akademie Salzburg vom 3. bis 5. Oktober in das Wiener Schottenstift geladen hatte. Neben Klieber trugen dort vor: die Grazer Kirchenhistorikerin Prof. Michaela Sohn-Kronthaler (Österreichs benediktinische Stifte im Geflecht von Kirche und Staat 1938-1945), Fr. Georg Roth (Das steirische Benediktinerstift Admont 1938-1945), Sr. Eva-Maria Saurugg (Das Salzburger Benediktinerinnenstift Nonnberg 1938-1945) und Maximilian Alexander Trofaier (Das Wiener Schottenstift 1938-1945).